Bundeskonferenz der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten Deutschlands in Würzburg



Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten fordern die Politik in Bund und Ländern auf, gezielte Maßnahmen umzusetzen und entsprechende Gesetze zu verabschieden.

 Die Bundesfrauenministerin Lisa Paus: „In Deutschland sind Frauen jeden Alters stärker armutsgefährdet als Männer. Und mit zunehmendem Alter wird der Unterschied immer größer. Das ist buchstäblich ein Armutszeugnis für unser Land!

Schon im jungen Alter werden die Weichen für Armutsgefährdung im Alter gestellt: Frauen sind - insbesondere ab dem 30. Lebensjahr - weniger erwerbstätig als Männer. Und das oft unfreiwillig. Viele treten mit Geburt des ersten Kindes beruflich kürzer, weil die Sorge für Kinder, Haushalt und manchmal auch Pflegebedürftige weitgehend auf ihren Schultern liegt. Verlässliche Betreuung von Kindern im Grundschulalter fehlt noch immer an vielen Orten. Vielen Frauen bleiben langfristig in der reduzierten Stundenzahl. Flexible Arbeitszeitmodelle sind zu selten Standard, die Stundenzahl aufzustocken trifft auf Widerstand, Führen in Teilzeit wird abgelehnt. Das Ergebnis sind kleinere Einkommen, weniger Chancen im Job und schlechtere Absicherung im Alter. Zu viele Frauen werden so auf Dauer wirtschaftlich abhängig.

Wirtschaftliche Eigenständigkeit der Einzelnen benötigt deshalb mehr Aufmerksamkeit! Hindernisse etwa im Steuerrecht sollten abgebaut, flexible Arbeitszeitmodelle und Führen in Teilzeit gestärkt werden. Ziel muss es sein, ökonomisch auf eigenen Beinen zu stehen, auch wenn sich das Leben ändert - für Frauen wie Männer. Daran müssen wir bestehende Strukturen messen. Wirtschaftliche Eigenständigkeit schützt vor Armut und sie eröffnet Freiräume für Selbstbestimmung!"

 Bayerns Sozialministerin und Frauenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung Ulrike Scharf betont: „Altersarmut trifft vor allem Frauen. Ein eigenes Einkommen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, eine solide Altersvorsorge und finanzielle Bildung dürfen keine Wunschvorstellungen bleiben. Das sind die Grundlagen, um Armut bei Frauen zu verhindern.“

 

Die Forderungen der 28. Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten lauten:

#Abschaffung des Ehegattensplittings zur Überwindung tradierter Geschlechterrollen und Aufgabenverteilung innerhalb von Ehen.

Forderung:

Die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen fordert den Gesetzgeber zur Abschaffung des Ehegattensplittings auf, um damit einer ungleichen Geschlechterökonomie entgegenzuwirken. Der steuerliche Vorteil für Ehepaare hindert Frauen daran, stärker in die bezahlte Erwerbsarbeit einzusteigen, was zu einer finanziellen Abhängigkeit, unbezahlter Pflegearbeit und Altersarmut führen kann.

#Verbesserung der Situation ungewollt Schwangerer

Forderung:

Die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauen- und Gleichstellungsbeauftragter fordert:

  1. Die gesetzliche Verankerung selbstbestimmter Abbrüche außerhalb des StGB im Schwangerschaftskonfliktgesetz
  2. Umsetzung der Empfehlungen der Expertenkommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, die die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs unmittelbar betreffen (Ausnahme: die Möglichkeit einer Beratungspflicht)
  3. Sicherung von stationären und ambulanten Einrichtungen zur Vornahme eines zeitnahen Schwangerschaftsabbruchs
  4. Schwangerschaftsabbrüche als verpflichtendes Thema im Medizinstudium und in die Facharztweiterbildung aufnehmen

#In Umsetzung der Istanbul-Konvention mit dem Gewalthilfegesetz geschlechtsspezifische Gewalt zügig und wirkungsvoll bekämpfen

Forderung:

Die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen fordert das BMFSFJ und die Bundesregierung auf, mit dem angekündigten Gewalthilfegesetz die Istanbul-Konvention wie im Koalitionsvertrag vereinbart konsequent und wirksam umzusetzen: Mit einem Rechtsanspruch auf Schutz vor Gewalt.
Um diesen flächendeckend, in Ballungszentren ebenso wie in ländlichen Regionen, zu verwirklichen, wird die Bundesregierung zur Formulierung verbindlicher und messbarer

  •  Bundesweite Mindeststandards zur Versorgungsdichte und -kapazität von Schutz- und Beratungsangeboten
  • Bundesweite Mindeststandards zur Versorgungsqualität von Schutz- und Beratungsangeboten (Mindeststandards für personelle Ausstattung, Erreichbarkeit) aufgerufen.
  • Ebenso muss das Gewalthilfegesetz von einer kostendeckenden Finanzierungsstrategie der Bundesregierung begleitet werden, anstatt die konkrete Ausgestaltung und Finanzierung der Maßnahmen nach dem Gewalthilfegesetz ausschließlich an die Länder zu delegieren.

#Proaktive, aufsuchende Krisenintervention und Beratung für Kinder nach Vorfällen von Partnerschaftsgewalt

Forderungen:

Bei Polizeieinsätzen zu Partnerschaftsgewalt erhalten gewaltausübende Personen das Beratungsangebot der Fachberatungsstellen für Täter und Täterinnen und die Betroffenen das Angebot einer aufsuchenden Beratung durch die Interventionsstellen. Aktuell zeigt sich nach Einschätzung von Gleichstellungsbeauftragten und Mitgliedern der „Runden Tische gegen Häusliche Gewalt“ eine Versorgungslücke bei der unmittelbaren Krisen-Intervention für (mit)betroffene Kinder.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen fordert das StMAS und das BMFSFJ auf, diese Bedarfslücke zu schließen durch ein wohnortnahes, flächendeckendes Interventionsangebot für (mit-)betroffene Kinder bei Partnerschaftsgewalt. Die Verpflichtung ergibt sich u.a. durch die sog. Istanbul-Konvention (Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt), insbesondere Artikel 26: „Schutz und Unterstützung für Zeuginnen und Zeugen, die Kinder sind: Bereitstellung von Schutz- und Hilfsdiensten für Opfer unter Beachtung der Rechte und Bedürfnisse von Kindern“.

Auf diese und weitere Forderungen muss die Politik reagieren. Entsprechende Anträge an die Bundesregierung haben die Teilnehmenden der Bundeskonferenz verabschiedet.

Jubiläum 40 Jahre BAG

Gleichzeitig blickten die Teilnehmenden auf die 40-jährige Erfolgsgeschichte der BAG zurück. So konnten bereits maßgebliche Ziele erreicht werden. Dazu gehören der zunehmende Anteil von Frauen in Aufsichtsräten, Führungspositionen und Parlamenten, Aufwertung von sogenannten Frauenberufen sowie die gesellschaftliche Sensibilität für Fragen der Sorge- und Familienarbeit.

 Auch die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe, der Gehsteigbelästigung und der Umsetzung des Prinzips „Nein heißt Nein“ im Strafrecht sind markante Meilensteine. Hinzu kommt u.a. die Unterstützung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt für Alleinerziehende und Wiedereinsteigerinnen.

 Dr. Marie-Luise Löffler und Katrin Brüninghold, beides Sprecherinnen der BAG, sind sich einig, dass Solidarität unter Gleichstellungsbeauftragten immens wichtig ist. Vor diesem Hintergrund und im Rahmen des Jubiläums wurde Mary Ellen Witzmann, ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt, für ihr Engagement für Betroffene von sexualisierter Gewalt geehrt.